Zwischen 1880 und 1930 begann die Luftfahrt, sich über die zu diesem Zeitpunkt etwa 100 Jahre alte Ballonfahrt hinaus zu entwickeln. Der Berliner, OttoLilienthal, hatte mit seinen Flugversuchen in Steglitz und außerhalb von Berlin grundsätzlich nachgewiesen, dass der Mensch sich in der freien Atmosphäre „fast wie ein Vogel“ bewegen kann, wenn er sich geeignete technische Hilfen dafür baut. Hans Grade entwickelte in Brück bei Berlin ein motorgetriebenes Fluggerät, mit dem er in Berlin-Adlershof den Lanz-Preis der Lüfte gewann. Das entfachte so viel Luftfahrtbegeisterung in der Öffentlichkeit und so viel Unterstützung durch den Staat und sein Militär, dass sich zahlreiche kleine Firmen gründeten, um in Adlershof Flugzeuge zu entwickeln und zu fertigen, wie Albatros, Rumpler und Fokker. Die Region Berlin-Brandenburg entwickelte sich dadurch fast von allein zu einem Schwerpunkt der Luftfahrt-Entwicklungen in Deutschland. Die Luftfahrt machte sich auf den Weg in einen weitgehend unbekannten Raum: die freie Atmosphäre.
Aus diesem Grunde waren außerhalb der konstruktiven Geräteerforschungen und -entwicklungen an Flugzeug- und Luftschiffmotoren, an Baumaterialien, Steuerungselementen und Kontrollinstrumenten auch in zwei zentralen Fragen hinsichtlich des unbekannten Raumes und seiner Bedingungen intensive meteorologische Forschungen erforderlich:
• Mit welchen unbekannten Phänomenen haben Fluggeräte in der freien Atmosphäre zu rechnen, und wie müssen sie ausgestattet sein, um mit allen Wetterereignissen zurecht zu kommen?
• Mit welchem konkreten Wetter hat ein Flugkapitän auf einer bestimmten Route zur beabsichtigten Flugzeit zu rechnen und wie kann er widrige Wetterverhältnisse zugunsten der Flugsicherheit und –wirtschaftlichkeit umgehen?
Da in dieser gleichen Zeit die Meteorologen erkannt hatten, dass die Voraussagbarkeit des Wetters vor allem dadurch zu verbessern wäre, dass sie die Naturgesetze der freien Atmosphäre auch in der gesamten Höhe der freien Atmosphäre erforschen, ergab sich ein paralleles Interesse von Meteorologen und Flugpionieren bzw. Firmengründern für Flugapparate-Bau. Ein meteorologischer Pionier war in Berlin der Meteorologe Richard Aßmann vom Königlich Preußischen Meteorologischen Institut. Er organisierte systematische Messfahrten mit Ballonen und entwickelte neue und zuverlässigere Messinstrumente und –verfahren. Auf diese Weise wurde er zum Begründer einer neuen Forschungsrichtung in der Meteorologie, der Aerologie und zum Entdecker der Stratosphäre, also der in ungefähr 10 km Höhe beginnenden Luftschicht oberhalb der Troposphäre. Aßmann gründete zunächst in Berlin-Tegel das Aeronautische Observatorium, das schon 5 Jahre nach seiner Gründung im Jahr 1900 nach Lindenberg verlegt wurde. Dort wurde es zu einer weltweit anerkannten Pionier-Forschungseinrichtung für die freie Atmosphäre. Der andere Aerologie-Pionier war Hugo Hergesell, der Leiter der Landeswetterwarte in Elsass-Lothringen. Er unterstützte in erheblichem Maße die Entwicklungsanstrengungen des Grafen Zeppelin in Friedrichshafen am Bodensee, die Idee vom „lenkbaren Ballon“ mit einem Starr-Luftschiff Wirklichkeit werden zu lassen. Nach dem Ausscheiden Aßmanns aus der Leitung des Aeronautischen Observatoriums in Lindenberg übernahm Hergesell dessen Leitung. Dadurch wurde die bedeutende aerologische Forschung in dieser Region glücklicherweise weiterhin gestärkt.
Mit ihren aerologischen Forschungen, die die allgemeinen Kenntnisse über den unbekannten Luftraum grundlegend erweiterten, unterstützten die Meteorologen die Investitionsbereitschaft von Unternehmern in der Region Berlin-Brandenburg, die eine Luftfahrtindustrie aufbauen wollten und trugen erheblich zur Ausgestaltung einzelner Entwicklungen im Luftschiff- und Flugzeugbau dieser Pionier-Epoche bei.
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